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Die meisten Menschen handeln erst dann, wenn ihnen im übertragenen Sinn der Kittel brennt – wenn sie Beweggründe haben. Erst wenn wirklich alles in Flammen steht, wird der Status Quo untragbar und erst dann entsteht bei ihnen das Gefühl, sofort handeln zu müssen. Aus diesem Grund ist es für mich als Trainer elementar, meinen Teilnehmern dabei zu helfen, den Kittelbrennfaktor ihrer Kunden herauszuarbeiten, oder anders gesagt: das treibende Motiv. Es geht um die Frage: Was bewegt deinen Kunden, was treibt ihn an, und wie kannst du seinen Bedürfnissen entgegenkommen? Bevor ich genauer auf diese Punkte eingehe, möchte ich in diesem Zusammenhang noch kurz den Unterschied zwischen latentem beziehungsweise konkretem Bedarf und Handlungsdruck herausarbeiten. Dann wirst du sehen, dass selbst der größte Bedarf gar nichts bringt, so lange der Kittel deines Kunden nicht brennt.
Der Kittelbrennfaktor in der Praxis
Ein einfaches Beispiel: Ein Motorrad bietet unter anderem den Nutzen, dass man sich in der Rush-Hour durch den Stau schlängeln kann. Eine feine Sache, oder? Und wahrscheinlich besteht an diesem Nutzen bei so manchem Berufspendler zumindest theoretisch Bedarf. Dennoch bringt es einem Verkäufer relativ wenig, diesen Nutzen in epischer Länge breitzutreten, wenn sein potenzieller Kunde gar keinen Motorradführerschein hat. Eigentlich logisch, aber ob du es glaubst oder nicht: Immer wieder begegnen mir Verkäufer, die genau diesen Fehler machen und einen Kunden zum Kauf bewegen wollen, der überhaupt keinen Bedarf hat.
Klammern wir diesen Fall aber nun aus und nehmen an, ein potenzieller Kunde betritt ein Motorradgeschäft und sagt: „Ich habe schon lange einen Führerschein, aber ich bin bereits seit vielen Jahren nicht mehr gefahren. Jetzt wollte ich mich mal informieren.“ Dann kann es passieren, dass der Verkäufer zwar seine Chance erkennt und sich viel Zeit nimmt, um den Stau-Nutzen in aller Herrlichkeit wiederzugeben, der Kunde aber trotzdem unverrichteter Dinge wieder abzieht. Warum? Weil seine Frau klar dagegen ist, dass er sich auf ein Motorrad schwingt, was auch der Grund ist, warum er so lange nicht mehr gefahren ist. Den Laden hat er nur betreten, weil er das Gefühl vermisst, sich auf der Landstraße den Wind um die Nase wehen zu lassen. Hätte der Verkäufer das gewusst, hätte er sich seinen Autobahn-Monolog sparen können oder zumindest hätte er gemeinsam mit seinem Kunden Argumente finden können, wie er seiner Frau den Kauf doch noch schmackhaft machen könnte. Das ist aber nicht geschehen. Chance vertan.
Um es kurz zu machen: Ob ein Kunde Bedarf an einem Angebot hat, kann ein Verkäufer in der Regel schnell erkennen, und mit einer soliden Gesprächstechnik ist es eigentlich auch relativ einfach, dem Kunden diese Beweggründe vor Augen zu führen. Immerhin sind die meisten Menschen ohnehin erst dann bereit, mit einem Verkäufer zu sprechen, wenn sie davon ausgehen, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung ihre Situation verbessern kann. Doch damit ist es noch lange nicht getan: So lange die Gründe, die für einen Kauf sprechen, nicht klar auf der Hand liegen und alles, was dagegen spricht, deutlich überwiegt, wird kaum jemand einer Vertragsunterschrift zustimmen.
Warum handeln? Geht doch auch so
Der Bedarf, der theoretisch besteht, ist also in der Regel nicht das Problem. Die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, den Handlungsdruck, also den Kittelbrennfaktor, herauszuarbeiten, um den Kunden zu einer Entscheidung zu bewegen. Du kennst das sicher von dir selbst: Nehmen wir an, du weißt, dass deine Fenster undicht sind und dass es aus Kostengründen sinnvoll wäre, sie austauschen zu lassen. Sicher bist du dann gerne bereit, dich darüber zu informieren, wie du Abhilfe schaffen kannst. Ob du dann allerdings tatsächlich zur Tat schreitest, ist eine völlig andere Sache. Denn so lange dir die Heizkosten nicht über den Kopf wachsen und die Situation eigentlich noch annehmbar ist, lässt sich eine solche Anschaffung ja auch prima noch eine Woche, einen Monat oder ein Jahr verschieben. Letztlich ist eben alles eine Frage des Leidensdrucks. Das wissen übrigens auch all jene Menschen, die vielleicht an Übergewicht leiden, zu wenig Sport machen oder Rauchen. Jedem ist bewusst, dass schlechte Gewohnheiten zu Krankheiten führen können, aber so lange der Kittel noch nicht brennt, fällt es schwer, den inneren Schweinehund zu überwinden, um von dem offensichtlichen Nutzen eines gesünderen Lebensstils profitieren zu können.
Aus diesem Grund ist es für Verkäufer elementar, sich eingehend mit dem Kittelbrennfaktor ihrer potenziellen Kunden zu beschäftigen. Wie groß ist der Handlungsdruck des jeweiligen Gesprächspartners? Das ist die entscheidende Frage, die es zu beantworten gilt. In erster Linie geht es darum, möglichst schnell herauszufinden, ob er die Notwendigkeit sieht, Geschäfte zu machen oder nicht. Wenn ihm der Kittel nicht brennt, musst du dich auch nicht lange damit abmühen, ihm dein Produkt oder deine Dienstleistung schmackhaft zu machen. Das ist übrigens ein Fehler, den viele Verkäufer immer wieder begehen: Sie absolvieren unzählige Kundentermine und verschwenden jede Menge Energie und Zeit darauf, einen Kunden zu einer Entscheidung zu bewegen, der noch gar keinen Handlungsdruck hat. Dass das nicht klappen kann, ist klar. Natürlich solltest du versuchen, mit geschickten Fragen herauszufinden, was deinen Gesprächspartner antreibt – aber wenn er nicht mitzieht, weil die Zeit für eine Entscheidung einfach noch nicht reif ist und sein Kittel noch nicht in Flammen steht, dann lass ihn gehen.
Die Beweggründe deines Kunden sind entscheidend
Wenn du jedoch erkennst, dass dein Kunde wirklich etwas ändern möchte, dann solltest du dich darum bemühen, seine Beweggründe zu erforschen. Nur wenn du weißt, wo es brennt, kannst du auch die passenden Maßnahmen ergreifen, um seine Probleme zu „löschen“. Allerdings wird diese Aufgabe häufig dadurch erschwert, dass der Kunde nicht unbedingt begierig darauf ist, alle seine Beweggründe offenzulegen.
Gehen wir zum Beispiel davon aus, dass du im B2B-Bereich tätig bist, dann ist es möglich, dass dein Gesprächspartner, also der Einkäufer, nicht nur von den Ansagen seines Chefs getrieben wird, sondern dass ihn auch private Schwierigkeiten plagen. Vielleicht erhofft er sich eine Gehaltserhöhung, um endlich das geplante Haus oder die Ausbildung seiner Kinder finanzieren zu können und ist deshalb besonders unnachgiebig. In diesem Fall wird er wahrscheinlich nicht von selbst auf die Idee kommen, dir von seinen Motiven zu erzählen. Und auch wenn alles nur halb so dramatisch ist, erfordert es viel Feingefühl, den Grund für sein Verhalten herauszufinden. Nur wenn du in der Lage bist, dich voll und ganz auf dein Gegenüber einzulassen, wenn du dich also aufrichtig für ihn interessiert, bekommst du auch die Gelegenheit, ihn zu verstehen und somit deine Chance auf Erfolg signifikant zu erhöhen. Doch es ist nicht nur das aufrichtige Interesse, das zählt. Auch die richtige Fragetechnik ist elementar. Dazu gehören grob gesagt zwei Dinge: Zum einen die Fragen, die du deinem Gegenüber stellst, damit seine Motive wirklich ein Gesicht bekommen, und zum anderen die Fragen, die du dir selber beantworten musst. Läufst du kopflos durch die Gegend oder hast du eine Strategie? Mit welchem Setting fährst du zum Kunden? Und vor allem: Welches Ziel hat das geplante Gespräch und welche Fragen benötigst du, um zielrelevante Antworten zu bekommen? In unserem Fall ist das Ziel klar: Wir wollen den Kittelbrennfaktor unseres Gesprächspartners herauskitzeln.
Nehmen wir der Einfachheit halber an, besagter Einkäufer will einfach nur seinen Job gut machen. Das ist sein Antrieb. In diesem Fall hilft es schon, wenn du dir ganz sachlich überlegst: Was ist das Ziel meines Gesprächspartners? Was ist sein Thema? Was ist seine Aufgabe? In dem Moment, in dem du das tust, wird dir klarwerden, dass die Aufgabe eines Einkäufers immer sein muss, herauszufinden, ob beim Preis noch was geht. Also wird er gnadenlos versuchen, jeden Spielraum auszunutzen, um auch wirklich die absolut besten Konditionen für sein Unternehmen zu sichern. Da kennt er keine Gnade. Und warum? Weil sein Chef ihn einen Kopf kürzer macht, wenn er dir entgegenkommt. Das ist in diesem Fall sein Kittelbrennfaktor. Der Einkäufer hat dringenden Handlungsdruck – und zwar aus eben genanntem Grund. Wenn du das weißt, kannst du in der Konsequenz mit Fug und Recht annehmen, dass es nur eine Chance gibt, um ihm das Gefühl zu geben, dass es Sinn macht, deine höheren Preisvorstellungen zu akzeptieren: Du musst ihm Gründe liefern, wie er eine mögliche Zusammenarbeit mit dir vor seinem Chef rechtfertigen kann. Und zwar am besten so, dass seine Vorgesetzen ihm am Ende sogar noch auf die Schulter klopfen und sagen: „Gut gemacht.“
Eine hundertprozentige Erfolgsgarantie gibt es natürlich trotzdem nicht. Nicht immer wird es gelingen, den Kunden zu einer Zusammenarbeit bewegen – aber das ist auch gar nicht nötig. Kein Unternehmen der Welt hat 100 Prozent Marktanteil, mag es auch noch so erfolgreich sein. Wichtig ist nur, dass du weißt, wie wichtig es ist, die Beweggründe deiner Kunden zu kennen, um deine persönliche Chance auf einen erfolgreichen Abschluss zu erhöhen.
1 Kommentar
Sabine Grözinger
Dezember 15, 2015 - 1:44 pmSehr anschaulich und nachvollziehbar erklärt. Es hilft im Verkaufsgespräch meist schon sehr, wenn man von sich selber ausgeht und die Perspektive wechselt. Dann kommt man automatisch auf den Kittelbrennfaktor! Und um im Bild zu bleiben: ich hatte zuletzt auch einige Feuerwehreinsätze: http://bit.ly/1O2kDRF. Kostet ganz schön Kraft, weil die Zeit knapp ist. Dafür ist eines ziemlich sicher: Der Nutzen für den Kunden.